Nachhaltiges Engagement für die Stadt der Zukunft braucht räumliche Sichtbarkeit und Zusammenarbeit. Aus unsereren Erfahrungen aus dem Labor für urbane Zukunftsfragen und Innovation heraus spielt die räumliche Komponente im Themenkomplex Kollaboration & Kooperation eine entscheidende Rolle. Aktivitäten benötigen Raum. Aus unserer Sicht benötigt es ein besonderes Zusammenspiel unterschiedlicher Räume und ihrer Funktionen – wir nennen es das 4-Orte-System:
- mehr Orte des Selbermachens dezentral (materielle Güter) – Werkstätten u.a.
- mehr Orte des Austausches dezentral (immaterielle Güter) – Werkhalle, 137 u.a.
- einen großen zentralen Ort für Sustainable Experience (Zentrum) – LivingLab o.ä.
- ein virtueller Raum (Internet-Tool) – Projektmanagement, interne Kommunikation o.ä.
Dies vier Orte bilden gemeinsam die Vision einer Stadtteilfabrik, in der die Stadt der Zukunft gemeinsam durch die Bürgerschaft gestaltet und Nachbarschaftsprodukte und -projekte lokal und individualisiert realisiert und werden können. Die Stadtteilfabrik umfasst damit a) Räume für nachhaltige Netzwerke und innovative Aktivitäten mit teilbarer Infrastruktur, die die Menschen zum kritischen Umgang mit Produkten anregt und Wissen sowie technisches Gerät zur Produktentwicklung und -herstellung (ggf. auch Vertrieb) bereitstellt und b) Möglichkeiten und Netzwerke bietet, sich aktiv als Prosument in die Stadtentwicklung gemeinwohlorientiert einzubringen.
1. Mehr Orte des Selbermachens
Es müsste unseres Erachtens mindestens so viele Orte des Selbermachens geben wie es Stadtteilbibliotheken gibt. Offen für Privatpersonen, für die gesamte Nachbarschaft, soll in räumlicher Nähe zum eigenen Aktionskreis, im Wohnumfeld, eine Möglichkeit geschaffen werden, materielle Güter produzieren zu können. Quasi das Pendant zur Garagenwerkstatt, in der man an eigenen Ideen „herumschraubt“, oder dem kleinen Studio, in dem man kreativ tätig wird. Nur gemeinschaftlich, mit professionellem Werkzeug und der Schwarmintelligenz der Nachbarschaft. Orte wie Werkstätten, Küchen, Aquaponikanlagen, Laboren und Studios für außerschulische Bildung, kooperative Zusammenschlüsse und kollaborative Produktion. Als Nachbarschaftsprodukte und -projekte sind hier vorstellbar: Stadtmobiliar, individualisierte Brillen, Ersatzteile aus dem 3 D-Drucker und Schmuck aus Müll.
2. Mehr Orte des Austausches
An der Theke kann man die Zukunft vielleicht nicht vorhersagen, aber neu erfinden. Noch 100 Jahre später sprechen die Menschen von Kneipen, in denen Kunstschaffende und Vordenker*innen zusammenkamen, sich in inspirierender und gelöster Atmosphäre mit den Zukunftsfragen der Zeit befassten und durch neue gemeinsame Ansichten, sich selber und später auch die Gesellschaft nachhaltig beeinflussten. Es braucht besondere Betrieber*innen solcher Orte, die eine Atmospähre des Austausches und der Begegnung produzieren können und Ort offen und einladend gestalten, so dass unterschiedlichster Input (Haltungen, Interpretationen, Ergahrunsgwerte, Innovationen etc.) vielfältiger Besucher*innen den Raum beseelt. Hier herrscht kein Konsumzwang, es gibt wechselnde Ausstellungen. Als interessierte Nachbarschaft kommen in Frage: Visionäre und Realistinnen, Innovationsgeister, Weltverbessererinnen und Weinliebhaber.
3. Ein Zentrum für Sustainable Experience
Selbermachen fängt mit Mitmachen an: Wenn man am Anfang keine Optionen oder Chancen hat, leicht ins Mitmachen zu kommen, wird man das Selbermachen kaum erreichen. Auch braucht es Inspiration für das eigene Tun. Austausch und Begegnung sind Grundlagen für Innovation und die Weiterentwicklung eigener Ideen. Sich mit vielen verschiedenen Akteuren zusammenzuschließen, diverse Themen und Herangehensweisen und Künste an einem Ort zu versammeln würde so viel Energie nach Innen erzeugen und nach Außen sichtbare Strahlkraft entwickeln. Gerade in Gründungsphasen, in denen die Innovationskraft hoch ist, aber Unterstützung notwendig, sind vielfältige Ansprechpersonen und Möglichkeitsräume, in denen man einfach Machen kann, enorm wichtig. Wenn dann viele Menschen an einem Strang ziehen, wie dem der nachhaltigen Bildung, koordiniert arbeiten, sich punktuell zusammenschließen, dann ergibt das Schlagkraft in der Sache. Ein Zentrum kann ein Leuchtturm für nachhaltige Themen sein, durch Veranstaltungen Menschen und Insitutionen bewegen und ihren Ideen Nachdruck verleihen. Es kann als Inkubator für regionale Orte des Selbermachens dienen, Strömungen vernetzen und einer breiten Öffentlichkeit als Showroom Zukunft fühlbar machen und zum Mitgestalten einladen.
4. Ein virtueller Raum zum Austausch
Zusammenarbeit darf nicht raumgebunden sein. Informationen müssen systematisch geodnet sein. Ideen spielersich bewertet und weiterentwickelt werden können. Ein Tool, dass Fachwissen und die Diskussion darüber durch die Nutzenden qualifiziert und quantifiziert, ordnet, bewertet, simplifiziert und gamifiziert und damit die Meinungsforschung/bildung neuerfindet, könnte hier die Lösung darstellen. Umfassende Teilhabe und qualifizierte Diskussionskultur auf Sachebene ist entscheidend für die Zusammenarbeit Vieler. Thesen, Meinungen, Fragen, Ideen, Argumente und Gegenargumente müssen sachlich geordnet sein und durch verschiedenste Akteur:innen aus Verwaltung, Wissenschaft, Unternehmerschaft und Bevölkerung quantifiziert bewertet (Zustimmung/Ablehnung) werden. So ließen sich Handlungserfordernisse und auch Handlungsräume identifizieren. Zudem muss es zur Projektsteuerung ein Tool geben, indem Dokumente gemeinsam erstellt und sortiert werden können. Das Abstimmungen, Termine etc. enthält und Meetings zulässt.
Gemeinsam ist man mehr als alleine. Es braucht aber starke Partner*innen, die den Mehrwert von kollaborativen und kooperativen Nachbarschaftsstrukturen und -angeboten erkennen und fördern. Unsere Erfahrung zeigt, dass bisherige Anbieter*innen meist allein und selbstausbeuterisch tätig sind. Für breite transformative Prozesse für ein besseres Leben in urbanen Ballungsräumen braucht es deshalb sinnvolle Strukturen und einen Geist der Wertschätzung und Fürsprache für gemeinwohlorientierte Aktivitäten.