Beim Talk „Nachhaltig leben und Ressourcen schützen“ haben unsere Gäste viel über die Grenzen der derzeitigen Logistikmöglichkeiten in Dortmund und der Region gesprochen. Am konkreten Beispiel der Marktschwärmerei wurde klar, dass es neue und innovative Lösungen braucht, um nachhaltige Angebote auch logistisch umweltschonend umsetzen zu können.
Zu diesem Thema haben wir das Forschungsprojekt UrbaneProduktion.Ruhr um einen Gastbeitrag gebeten. Das Forschungsprojekt, bestehend aus dem Institut Arbeit und Technik, der Hochschule Bochum, den Urbanisten, der Bochum Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen, erforscht und erprobt Chancen, Grenzen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen für materielle Produktion im urbanen Raum. Dabei spielt auch urbane Logistik eine wichtige Rolle.
Neue Logistikkonzepte für Städte
Die Logistik erfüllt heute eine wichtige Aufgabe in urbanen Räumen, besonders in der Ver- & Entsorgung von Haushalten und Handels- und Produktionsstandorten. Durch zunehmende Individualisierung in Fertigungsprozessen und komplexe Wertschöpfungsnetze sinken zwar die Transportmengen, aber die Wegeanzahl steigt weiter an. Auch aufgrund anhaltender Urbanisierung, Zuwachsraten im E-Commerce und Zunahme des Kurier-, Express- und Paket (KEP)-Markes steigen Versorgungs- und Lieferverkehre. Die Corona-Pandemie in diesem Jahr und die damit einhergehenden Maßnahmen z.B. Zeitweises Schließen des Einzelhandels und Kontaktbeschränkungen haben diese Entwicklungen noch einmal verschärft.
Diese Zunahme von Lieferverkehr von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) bringen individuelle Vorteile, aber dementsprechend auch Folgen für Menschen, Umwelt und den urbanen Raum. Es folgen Überbelastungen von Infrastrukturen und Verkehrsstaus, hohe Lärm- und Feinstaub-Emissionen und Stickoxide. Um die Folgen von Logistikverkehr zu minimieren und bestenfalls zu verhindern, müssen geeignete Logistikkonzepte für Städte entwickelt werden.
In einer im Rahmen des Forschungsprojektes UrbaneProduktion.Ruhr durchgeführten Umfrage von urbanen Manufakturen erfuhren wir, dass Urbane Produktion insbesondere auf nachhaltige Mobilitäts- und Logistikinfrastrukturen angewiesen ist, um Nachhaltigkeitswirkungen zu erreichen.
Doch wie kann der innerstädtische Logistikverkehr nachhaltig und störungsfrei gestaltet werden?
Eine Möglichkeit bieten Konzepte, die bei der sogenannten „Letzten Meile“ ansetzen. Als „Letzte Meile“ wird der letzte Transportweg zur Haustür des Kunden oder der Kundin bezeichnet. Neue Konzepte möchten diese letzte Meile als Schnittstelle zwischen Kraftfahrzeugen und Lastenrädern nutzen, die die letzte Meile bis zum Kunden oder zur Kundin übernehmen.
Mikrodepots können im Quartier als zentraler und firmenneutraler Zustellungsort genutzt werden, von dem aus die Pakete vom Kurierdienst mit Lastenrädern abgeholt und im Gebiet ausgeliefert werden. Diese innovative Art von Paketzustellung ist eine praktikable, emissionsfreie Alternative zum PKW und eine Möglichkeit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Das urbane Logistikkonzept ist neben dem Verteilungsdienst von Haus- und Geschäftspost und Postschalter-Service ebenso für Medizin- und Pharma-Logistik möglich. Darüber hinaus kann der Einzelhandel oder ähnliche Distributionstransporte dadurch Verteil- und Sammeltouren vollkommen emissionsfrei abwickeln. Mit dem Lastenrad können beispielsweise Sendungen und Abholungen von 10 kg Gewicht transportiert werden, mit Anhängern sogar bis hin zu 250 kg.
Auch das immer dichter werdende Paketshop-Netz im urbanen Raum bietet Chancen für innovative störungsfreiere und emissionsärmere Auslieferungen. Empfänger:innen können ihre Pakete selbst in nahliegenden Paketshops abholen, sodass die Lieferung bis zur Haustür nicht mehr nötig ist. Die IHK Mittleres Ruhrgebiet ist derzeit am Projekt „Bundle Up“ beteiligt, indem gefördert werden soll, dass Pakete direkt im Paketshop geöffnet, getestet und wieder zurückgeschickt werden können, um auch hier Wege zu sparen.
Eine weitere Möglichkeit bieten batteriebetriebene Lieferwagen (E-Autos) für den Logistikverkehr, die schon heute immer häufiger im Einsatz sind. Sie könnten die Depots nachts beliefern ohne die Anwohner:innen durch Lärm zu stören und dadurch den Berufsverkehr entlasten. Um diese Alternative für Lieferverkehre in Städten zu etablieren, muss die entsprechende Infrastruktur für Elektromobilität wie Ladestationen für Elektromobile und alternative Zustellorte geschaffen werden.
Aufgrund der Vielzahl an Faktoren, die bei der Entwicklung eines innerstädtischen Logistikkonzeptes beachtet werden müssen, kann die Entwicklung einer solchen Strategie nur durch Beteiligung vieler Akteur:innen erfolgen. Das bedeutet lokale Betriebe, Logistikunternehmen, Anwohner:innen, Wirtschaftsförderung und die kommunalen Institutionen sollten sich dafür vernetzen, um eine geeignete umweltfreundliche und störungsfreie Lösung für unsere Städte zu finden.
Hier geht’s zur Website vom Forschungsprojekt UrbaneProduktion.Ruhr
Quellen:
Wagner-Endres, Sandra; Wolf, Ulrike; Zwicker-Schwarm, Daniel (2018): Neue Konzepte für Wirtschaftsflächen. Herausforderungen und Trends am Beispiel des Stadtentwicklungsplanes
Bundesvereinigung Logistik (2018): Dossier Urbane Logistik, https://www.bvl.de/dossiers/urbane-logistik/urbane-logistik-2018 (letzter Zugriff: 29.07.2019)
Arndt, Wulf-Holger; Klein, Tobias (2018): Lieferkonzepte in Quartieren – die letzte Meile nachhaltig gestalten. Lösungen mit Lastenrädern, Cargo Cruisern und Mikro- Hubs. Berlin:
Deutsches Institut für Urbanistik.
Wirtschaft in Berlin. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik
Erd, Julian (2015): Stand und Entwicklung von Konzepten zur City-Logistik. Wiesbaden: Springer Gabler (BestMasters).
Kille, Christian; Meißner, Markus (Hrsg.) (2018): Logistik 2018. Eine digitalisierte Welt und ihre Wirkung auf die Logistik. Ergebnisse des Herbstgipfels 2017. Abrufbar unter: http://www.logistikweisen.de/wAssets/docs/Logistikweisen_Bericht_2018.pdf.
KE-Consult (2020): KEP-Studie 2020 – Analyse des Marktes in Deutschland. Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik e. V. (BIEK). Abrufbar unter: https://www.biek.de/download.html?getfile=2623.
Richer, Ralph; Söding, Max; Christmann, Gabriela (2020): Logistik und Mobilität in der Stadt von morgen. Eine Expert*innenstudie über letzte Meile, Sharing-Konzepte und urbane Produktion. Abrufbar unter: https://leibniz-irs.de/fileadmin/user_upload/Transferpublikationen/I
Ninnemann, Jan; Hölter, Ann-Kristin; Beecken, Wolfgang; Thyssen, Robert; Tesch, Torsten (2017): Last-Mile-Logistic Hamburg – Innerstädtische Zustelllogistik. Studie im Auftrag der
Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg. Hamburg: HSBA Hamburg School of Business Administration.